Mit der seit 2019 geltenden Notärztinnen/Notärzte-Verordnung hat die Ausbildung zur Notärztin bzw. zum Notarzt eine bemerkenswerte Aufwertung erfahren. Konnte die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderliche Qualifikation bislang quasi nebenher, etwa durch den Besuch eines Wochenendkurses, erworben werden, so ist nun ein Nachweis in Form eines umfangreichen Rasterzeugnisses zu erbringen.
Die damit einhergehende Anhebung der Voraussetzungen zum Erwerb der notärztlichen Ausbildung ist angesichts der herausfordernden Situationen, mit denen sich Kolleginnen und Kollegen in der Praxis alleine und mit beschränkten Mitteln konfrontiert sehen, grundsätzlich zu begrüßen. Ein wesentliches Problem stellt jedoch die fehlende Struktur zum Erwerb der doch recht ambitionierten Voraussetzungen dar. In vielen Fällen erscheint es schlicht unmöglich, die erforderlichen Nachweise zu erbringen.
Unter anderem sind zum Erwerb der erforderlichen Qualifikation über 20 notärztliche Einsätze nachzuweisen. Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang, wie diese Bedingung in der Praxis erfüllt werden soll. So wird der Gesundheitsverbund ein überschaubares Interesse daran haben, Auszubildende, die anschließend nicht im Spital arbeiten werden, zu dieser beachtlichen Anzahl an erforderlichen Fahrten mitzunehmen.
Grundidee der notärztlichen Ausbildung ist es unter anderem, auch nicht fertig ausgebildete Kolleginnen und Kollegen notärztliche Dienste versehen zu lassen, sofern eine Ausbildungszeit von drei Jahren absolviert wurde und gewisse Grundfertigkeiten erlernt wurden. Hier ist jedoch einerseits in vielen Fällen unklar, was konkret anrechenbar ist bzw. wer die erforderlichen Nachweise im Rasterzeugnis beglaubigen darf, andererseits sind auch an dieser Stelle einige inhaltliche Voraussetzungen problematisch. So ist es unter anderem erforderlich, an fünf Spontangeburten mit postpartaler Versorgung des Neugeborenen teilzunehmen, obwohl viele Spitäler über keine Geburtshilfeabteilung verfügen.
Als äußerst ambitioniert ist auch die Voraussetzung zu bewerten, eine Atemwegssicherung mittels Intubation oder Larynxmaske außerhalb von Kursen an 70 erwachsenen Personen (davon maximal 50 Prozent im Simulationsweg) durchzuführen. Auch hier stellt sich die Frage, wie die immens hohe Zahl von 35 „echten“ Intubationen von Ausbildungswerberinnen und Ausbildungswerbern, abgesehen von künftigen Anästhesistinnen und Anästhesisten, strukturell erbracht werden soll. Gleiches gilt unter anderem für die vorgeschriebene Betreuung von zehn Intensivpatientinnen bzw. Intensivpatienten mit invasiver Beatmung.
Besonders problematisch erscheinen die beschriebenen Hürden vor dem Hintergrund des vorherrschenden Mangels an Notärztinnen und Notärzten. Es steht zu befürchten, dass eine derartige Verschärfung bzw. Verunmöglichung der Ausbildung die Zahl an verfügbaren Kolleginnen und Kollegen weiter reduzieren wird. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang etwa, dass abgesehen von NEF-Diensten auch für Veranstaltungen wie Konzerte, Theater oder Sportevents Notärztinnen bzw. Notärzte abgestellt werden müssen. Auch die Arbeit im Ärztefunkdienst setzt ein Notarztdiplom voraus. Die gegenständliche Verordnung trat im Sommer 2019 in Kraft, bis 2021 galten Übergangsbestimmungen. Als unmittelbare Auswirkung der Pandemie wurden seitdem viele Großveranstaltungen nicht abgehalten. Eine weitere Intensivierung des Mangels an Notärztinnen und Notärzten würde nach einer Normalisierung des öffentlichen Lebens für eine bedrohliche Zuspitzung sorgen.
Das Team Szekeres bekennt sich zu einer qualitativ hochwertigen Ausbildung für Notärztinnen und Notärzte, mahnt aber gleichzeitig energisch eine realistische Möglichkeit zum Erwerb der dafür nötigen Qualifikation ein.
Konkret sprechen wir uns für eine vollständige Überarbeitung der Notärztinnen/Notärzte-Verordnung aus. Einen gangbaren Lösungsweg sehen wir etwa in einer Unterscheidung zwischen einer Absolvierung des notärztlichen Diploms innerhalb der regulären Ausbildung und einer Absolvierung bei aufrechter ärztlicher Berufsberechtigung. Alternativ sehen wir auch eine Abstufung analog zu den durchzuführenden Tätigkeiten als zielführend an.