Kritik am österreichischen Gesundheitssystem gibt es immer mehr, dabei werden Wartezeiten auf Arzttermine, Wartezeiten auf Eingriffe, Kosten des Gesundheitssystems und das Fehlen von Personal bemängelt.

Wartezeiten gibt es aufgrund einer sinkenden Anzahl von Kassenärztinnen und -ärzten bei wachsender und immer älter und damit kränker werdenden Bevölkerung.
Ursächlich für die sinkende Zahl an Kassenärztinnen und Kassenärzten ist die restriktive Vergabe von Verträgen durch die ÖGK und die Unattraktivität von Verträgen in bestimmten Fächern (z.B. Kinderheilkunde) und in bestimmten Gegenden bzw. Bezirken. Viele Leistungen werden im niedergelassenen Kassenbereich gar nicht erbracht, um Ausgaben zu sparen (z.B. Nuklearmedizin), Patientinnen und Patienten müssen in die Spitäler ausweichen oder privat zahlen. Eine Vermehrung und Attraktivierung von Kassenstellen wäre notwendig, würde aber Geld kosten, das die Kassen nicht haben, da man vor einer Beitragserhöhung zurückschreckt. Im Gegenteil, man möchte die Gesundheitsausgaben senken, um die Lohnnebengebühren zu reduzieren. Dies geht aber ohne Leistungskürzungen nicht. Angesichts der Tatsache, dass das Thema „Gesundheit“ nach der Inflation das für die österreichische Bevölkerung zweitwichtigste Thema ist, wird man vielmehr Wege finden müssen, um das qualitativ hochwertige österreichische Gesundheitssystem nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen.

Die Spitäler stehen mehrheitlich unter dem Einfluss der Bundesländer, werden aber von Krankenkasse, Bund und Ländern finanziert. Leistungen werden seitens der Krankenkassen in die Spitäler und seitens der Länder nach Möglichkeit in den niedergelassenen Bereich verschoben. Leidtragende sind die Patientinnen und Patienten, die zwischen Krankenhäusern und Ordinationen hin und her geschickt werden bzw. bei vielen Leistungen weder im Spital noch in der Ordination die gewünschte und benötigt Behandlung zeitnahe erhalten.

Man will Wahlärzte verbieten oder zwingen ohne Honorar zu arbeiten – das wird die Probleme lösen.

Wer es sich leisten kann, weicht in die Privatmedizin, das sogenannte Wahlarztsystem, aus. Die Politik versucht aber von ihren eigenen Verfehlungen abzulenken, indem sie die Wahlärztinnen und Wahlärzte verantwortlich macht für die Engpässe. Der Anstieg der Zahl an Wahlärztinnen und Wahlärzten ist aber die Folge und nicht die Ursache von Mängeln im System!
Die meisten Wahlärztinnen und Wahlärzte betreiben nämlich zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in einem Krankenhaus nur eine kleine Ordination, um ihren Patientinnen und Patienten mehr Zeit entgegenbringen zu können, als es in einer Kassenpraxis möglich wäre. Zudem ist eine Anstellung in einem öffentlichen Spital (zumindest mehr als 10h) und das Betreiben einer Kassenordination gleichzeitig nicht möglich. Zu viele Vorgaben und Beschränkungen existieren seitens der Arbeitgeber und der Gesundheitskasse. Das Betreiben einer Wahlarzt-Ordination ist also nicht verwerflich, sondern eine Folge des unattraktiven Kassensystems und deren Vorgaben und Beschränkungen.

Die Finanzierungproblematik.

Idealerweise sollte man Leistungen, die in den Spitälern oder Ordinationen angeboten werden, analysieren und definieren wo sie am besten verortet werden sollten („best place of service“) und aus einer Hand finanzieren. Eine Finanzierung des ambulanten Spitalsbereiches und des niedergelassenen Bereichs durch die Krankenkasse wäre sinnvoll. Eine rein staatliche Finanzierung des gesamten Gesundheitsbereiches ohne Kassen birgt, wie in England gesehen, die Gefahr, dass die Politik nur einsparen möchte und das System nachhaltig kaputtspart.
Bei den Krankenhäusern könnte man durch Zusammenlegungen kleiner Spitäler insbesondere in ländlichen Gegenden eine Verbesserung des Systems erreichen, nur gestaltet sich das äußerst schwierig, da die Bevölkerung Spitalsschließungen nicht goutiert. Viele der Landespitäler haben regionalpolitische Bedeutung, da sie wichtige Arbeitgeber und Auftraggeber für Zulieferfirmen sind. Streng genommen müsste man diese Ausgaben der Wirtschaftsförderung und nicht dem Gesundheitssystem zurechnen. Die Entwicklung geht anstatt einer gemeinsamen Planung und Finanzierung in die falsche Richtung.

Private Firmen drängen in den Gesundheitsmarkt.

Im Rahmen der letzten – sogenannten – Gesundheitsreform wurde die Gründung von privaten Gesundheitseinrichtungen im ambulanten Bereich erleichtert, was rezent auch zu einer Kooperation der Vinzenzgruppe (Eigentümergesellschaft einer Reihe konfessioneller Krankenhäuser) und der Supermarktkette Spar geführt hat. Wir kennen private Gesundheitseinrichtungen in Supermärkten z.B. aus der Schweiz und denken, dass diese zu einer Ausgabensteigerung führen und das Angebot primär gewinnorientiert und nicht mit Hauptfokus auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist. Dies erklärt sich aus der Verpflichtung privater Ketten ihren Aktieneignern gegenüber. Ordinationen sollten im Eigentum von Ärztinnen und Ärzten bleiben und nicht zur Gewinnmaximierung medizinfremder Ketten oder Fonds dienen.

Primärversorgungszentren werden alles besser machen!

Es gibt seit geraumer Zeit – sogenannte – Primärversorgungszentren, die einen Zusammenschluss von mehreren Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin mit anderen Gesundheitsberufen darstellen. Diese Zentren bestehen aus vielen Teilhabern und Vertretungsärztinnen und -ärzten und sind leistungsstark. Sie werden hauptsächlich von jüngeren Patientinnen und Patienten frequentiert, für die eine Behandlung durch „ihren Arzt/ihre Ärztin“ nicht entscheidend ist. Ältere, chronisch kranke Patientinnen und Patienten bevorzugen Einzelpraxen aufgrund des Naheverhältnisses zu ihrem behandelnden Arzt/Ärztin. Deshalb werden Primärversorgungszentren nicht, wie oft von der Politik suggeriert alle Probleme lösen können.

Wie ist das mit den Kosten des österreichischen Gesundheitssystems?

Die Ausgaben für Gesundheit in Österreich waren seit vielen Jahren etwas über 10% des Bruttoinlandsproduktes, sind im Rahmen der Corona Pandemie etwas gestiegen (11,2%) und sind 2023 auf 10,9 % des BIP gesunken. Damit liegen wir hinter der Schweiz (11,3%) und Deutschland (12,7%), die vergleichbar hochwertige Gesundheitssysteme haben wie Österreich. Eine spürbare Senkung der Kosten, ohne Einschränkungen und erschwertem Zugang zum System zu riskieren, ist unrealistisch.

Wollen wir ein leistungsfähiges, starkes Gesundheitssystem erhalten und den Herausforderungen anpassen, wird es mehr Kassenärztinnen und -ärzte brauchen und man wird neue medizinische Möglichkeiten und Therapieoptionen etablieren müssen und damit auch insgesamt mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Alles andere wird zu Enttäuschung führen, denn erfolgversprechende Behandlungen aus Kostengründen nicht anbieten zu können, würde die Gesundheitsversorgung der Österreicherinnen und Österreicher drastisch verschlechtern.

Ihr Thomas Szekeres