Wir haben ca. 48.000 eingetragene Ärztinnen und Ärzte in Österreich und sind damit was die Kopfzahl betrifft im Spitzenfeld in Europa und trotzdem erfahren wir einen Mangel an Ärzt:innen. Mit halb so vielen Ärzt:innen hatten wir vor einiger Zeit noch einen Überschuss – wie ist das erklärbar?

Es ist zu einer massiven Reduktion der Arbeitszeiten gekommen. Waren früher Arbeitszeiten jenseits der 60 h pro Woche Usus und 10 und mehr Nachtdienste pro Monat nichts Ungewöhnliches, gelten nunmehr Arbeitszeitgesetze und viele Ärzt:innen arbeiten Teilzeit, weshalb die reine Zahl der Köpfe keine Aussage über die Versorgungkapazität zulässt.

Weltweit gibt es einen Mangel an Ärzt:innen und das Arbeiten im Ausland ist einfacher und beliebter geworden, was dazu führt, dass in Österreich ausgebildete Mediziner:innen beliebt und gerne gesehen sind. Dies macht die Rekrutierung schwieriger, man muss gute Konditionen, Arbeitsbedingungen und Wertschätzung bieten, um attraktiv als Arbeitsgeber zu sein. Dies hat sich noch nicht zu allen Spitalsträgern in Österreich durchgesprochen, was zu Engpässen in verschiedenen Gegenden und Fachdisziplinen geführt hat.

Aber was sind nunmehr die Lösungsansätze der Politik?

Erstens: Verdopplung der Studentenzahlen, um aus einem großen Überschuss an Absolvent:innen wählen zu können. Manche Politiker sagen es offen, sie wünschen sich die Zeit wieder herbei in der man als Arzt/Ärztin um eine Anstellung betteln musste.

Zweitens: Zwangsverpflichtung von Absolvent:innen, um das Personal im Land und den Spitälern zu halten. Wie das funktionieren soll und weshalb nur Mediziner:innen davon betroffen sein sollen, so detailliert hat man das nicht gesagt. Aber die „privilegierten Ärztinnen und Ärzte“ sollen möglichst gratis arbeiten, hat man ihnen doch seitens der Gesellschaft ein Studium finanziert.

Das wird aber nicht funktionieren, da auch die zusätzlichen Absolvent:innen abwandern werden und es außerdem mindestens 10 Jahre dauern wird, bis die ersten zusätzlichen Absolvent:innen berufsberechtigt sind.

Eine Zwangsverpflichtung ist vermutlich rechtswidrig, auch möchte vermutlich niemand von zwangsverpflichteten Ärztinnen und Ärzten behandelt werden. Sollte man dann auch Jurist:innen und Techniker:innen zwangsverpflichten, wenn es dort zu einem Mangel kommt?

Wir brauchen eine sachliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die durch die Demographie und die veränderten Lebenswünsche und Umstände der jungen Generation bedingt sind. Eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen und mehr anstatt weniger Wertschätzung. Dann wird es gelingen ausreichend Ärztinnen und Ärzte in Österreich zu beschäftigen und auch hier zu halten. Alles andere ist billige Polemik, die zu keinem befriedigenden Ergebnis führen wird.