von Birgit Harisch-Lanschützer

Seit vielen Jahren werden wir als selbstständige Notärztinnen und Notärzte deutlich unter unserer Leistung bezahlt. Jahrelang wurden die niedrigen Stundentarife schweigend hingenommen, da es in unserer Branche unschicklich erscheint, über Geld zu sprechen, üben wir doch immerhin einen sozialen Beruf aus. Man möchte ja auf keinen Fall den Eindruck erwecken, man sei nur am Geld interessiert. Auch medial werden wir Ärztinnen und Ärzte gerne so dargestellt, als wären wir immens überbezahlt und würden trotzdem nur raunzen. Dieses Phänomen konnte man zuletzt bekanntlich auch bei den Berichten über die derzeitigen Impftarife beobachten.

Ich bin Notärztin geworden, obwohl ich wusste, dass es sich hierbei nicht um die lukrativste Sparte der Medizin handelt. Schließlich gehört mein Herz der Notfallmedizin seit ich mit 16 Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs besucht habe. Auch bin ich durch meinen Vater erblich „vorbelastet“, der seit vielen Jahren mit Leib und Seele als Notarzt tätig ist und mir die Liebe zur Notfallmedizin von klein auf vorgelebt hat. Ich habe in den letzten Jahren kaum darüber nachgedacht, dass die Tarife, die man uns für diese körperlich und psychisch sehr herausfordernde Arbeit bezahlt, dieser Tätigkeit eigentlich unwürdig sind. Zu sehr liebte ich diese Arbeit und kam daher gar nicht auf die Idee, dass man hier etwas ändern könnte. Auch spricht man über Geld ja irgendwie nicht.

In der Pandemie zeigte sich plötzlich, dass man uns doch sehr braucht. Um uns zu motivieren, neben der teilweise sehr anstrengenden Arbeit im Krankenhaus, in der Ordination und auf der Straße zusätzlich in unserer Freizeit zu arbeiten, war es nun plötzlich möglich, das Dreifache der bisherigen Notarzttarife anzubieten, wohlgemerkt für eine wesentlich einfachere Tätigkeit. Während ich bisher für 49 Euro brutto (ca. 22 Euro netto) pro Stunde teils in klirrender Kälte, strömendem Regen, tosendem Schneegestöber oder in Dachgeschoßwohnungen bei 50°C im Sommer Menschenleben rettete, bekomme ich nun 150 Euro dafür, dass ich in einem angenehm klimatisierten Raum mit Menschen spreche und sie über eine Impfung aufkläre. Natürlich würden viele von uns auch kostenlos Impfaufklärungen durchführen, zumal uns unglaublich viel daran liegt, diese Pandemie zu beenden. Nichtsdestotrotz ist es auch durchaus schön, eine überaus angemessene Bezahlung zu erhalten, vor allem da wir in diese Richtung bisher nicht so verwöhnt waren.

Auch wenn ich meine Tätigkeit als Notärztin weiterhin liebe, fällt es mir nun doch schwer zu akzeptieren, dass ich fortan dermaßen unterbezahlt weiterarbeiten soll. Meines Erachtens bietet sich nun eine gute Gelegenheit, um über Geld und adäquate Bezahlung zu sprechen.

Angenommen, jemand ist ausschließlich selbstständig als Notärztin bzw. Notarzt tätig und arbeitet 40 Stunden pro Woche und 47 Wochen im Jahr. Dieser Person bleiben am Ende netto ca. 3000 Euro übrig (mit 14 Monatsgehältern gerechnet, um es mit einem angestellten Arzt bzw. einer angestellten Ärztin vergleichen zu können). Dieses Beispiel setzt im Übrigen voraus, dass man nicht durch Krankheit ausfällt. Nur wenige Menschen würden sich für einen monatlichen Gewinn von bestenfalls 3000 Euro, der mit den Jahren noch dazu nicht steigt, in die Selbstständigkeit mit all den damit verbundenen Risiken begeben. Machen wir uns nichts vor, der hier errechnete Betrag hält dem Vergleich zu einem Gehaltsschema etwa im Krankenhaus schlichtweg nicht stand.

Auch ein Gegenüberstellen mit einer simplen Angestelltentätigkeit im Wigev führt zu Ernüchterung. Eine Allgemeinmedizinerin bzw. ein Allgemeinmediziner hat eine freiberufliche Notärztin bzw. einen freiberuflichen Notarzt mit dem Grundgehalt bereits in der sechsten Gehaltsstufe überholt, eine Fachärztin bzw. ein Facharzt schon in der fünften. Hinzu kommen im Gegensatz zum fixen Stundenlohn bei Notärztinnen und Notärzten noch Extrazulagen für Nacht- und Wochenenddienste, sodass der Verdienst von angestellten Spitalsärztinnen und -ärzten jenen einer freiberuflichen Notärztin bzw. eines freiberuflichen Notarztes schon deutlich früher übersteigt. Dies alles geschieht wohlgemerkt bei fehlendem wirtschaftlichem Risiko, dafür aber sozialer Sicherheit bei Schwangerschaft, Krankheit oder ähnlichem. Auch bei einem Vergleich mit selbstständig in einer Ordination tätigen Fachärztinnen und Fachärzten steigen Notärztinnen und Notärzte schlecht aus, übersteigt doch deren Gewinn jenen eines Notarztes bzw. einer Notärztin meist um ein Vielfaches.

Recherchiert man im Internet, stößt man schnell auf Empfehlungen, denenzufolge für selbstständige Tätigkeiten jeglicher Art mindestens 55 Euro pro Stunde veranschlagt werden sollten. Bedenkt man nun, dass eine Notärztin bzw. ein Notarzt ein abgeschlossenes Studium sowie eine abgeschlossene Facharztausbildung benötigt, sich durch Literatur und Fortbildungen stets fachlich auf dem aktuellsten Stand halten muss sowie generell einer physisch und psychisch extrem herausfordernden Tätigkeit nachgeht, so erscheinen die derzeitigen 49 Euro ausgesprochen kümmerlich. Gemäß Internetrecherche wird der Stundensatz eines Rechtsanwalts übrigens zwischen 100 und 1000 Euro pro Stunde taxiert. Zumindest am unteren Wert sollten wir uns orientieren. Warum wir lediglich die Hälfte eines schlechtbezahlten Anwalts verdienen sollen, ergibt für mich keinen Sinn.

Betrachtet man die aktuelle Situation, haben wir bereits einen Notärztinnen- bzw. Notärztemangel, der sich noch verstärken wird. Bisher waren vor allem Allgemeinärztinnen und Allgemeinärzte sowie Anästhesisten hauptberuflich oder in ihrer Freizeit als Notärztinnen und Notärzte tätig. Es entscheiden sich allerdings immer weniger Ärztinnen und Ärzte für eine Laufbahn als Allgemeinmedizinerin bzw. Allgemeinmediziner. Gerade die jungen Ärztinnen und Ärzte achten noch mehr als wir Älteren auf eine gute Work-Life-Balance und ein entsprechendes Einkommen nach Ausbildungsende. Dazu wurde auch die Ausbildung zur Notärztin bzw. zum Notarzt erweitert, was grundsätzlich begrüßenswert ist, da eine fundierte Ausbildung und Erfahrung vorgewiesen werden sollte. Nicht wegzudiskutieren ist aber auch, dass dies den bestehenden Mangel weiter verstärken wird. Aktuell stehen die schlechtbezahlten Notarztdienste auch in Konkurrenz zu den gut bezahlten Impfdiensten. Es ist also höchste Zeit, hier aktiv zu werden, um die vorhandenen Notärztinnen und Notärzte weiterhin zu motivieren, Dienste zu versehen und zukünftige Notärztinnen und Notärzte zu motivieren, die zeitintensive Ausbildung zu absolvieren.

Finanziert wird das Rettungswesen in Österreich durch die Krankenkassen sowie Länder und Gemeinden, den sogenannten Rettungseuro. Auch wenn ich persönlich keinen Einblick in die Verteilung der Gelder habe, bin ich davon überzeugt, dass wir Notärztinnen und Notärzte mehr wert sind als 49 Euro pro Stunde, und ich bin mir auch sicher, dass die gebotene Anerkennung finanzierbar ist. Wenn sich die Gemeinde Wien einen Energetiker leisten kann, der für schlappe 95.000 Euro einen Schutzring um das KH Nord legt, erschließt sich mir nicht, warum wir Notärztinnen und Notärzte weiterhin für 49 Euro pro Stunde (Jahresbruttolohn bei 47 Arbeitswochen zu 40 Stunden = 92.120 Euro) arbeiten sollen.

Es ist klar festzuhalten, dass wir uns, obwohl wir unseren Beruf lieben und ihn aus sozialen Motiven gewählt haben, wünschen, dass unsere Arbeit wertgeschätzt und auch finanziell anerkannt wird. Dazu müssen nun die Krankenkassen sowie Länder und Gemeinden in die Pflicht genommen werden, hier eine angemessene Bezahlung, die sich meines Erachtens nicht unter 100 Euro pro Stunde bewegen dürfte, zu gewährleisten.

Ich setzte mich daher weiterhin dafür ein, eine adäquate Bezahlung für uns Notärztinnen und Notärzte zu erreichen, und halte Sie über die erzielten Fortschritte auf dem Laufenden.