von Isabella Clara Heissenberger-Mass

Mit 1. Juli 2015 trat die Vereinbarung über neue Arbeitszeiten und Gehälter für Ärztinnen und Ärzte im Wiener Gesundheitsverbund in Kraft. Kernpunkt ist die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie, derzufolge die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in Zukunft nicht mehr überschritten werden darf (bis 2021 gelten Übergangsbestimmungen).

Die wöchentliche Normalarbeitszeit liegt im Falle einer Vollzeitverpflichtung für alle Ärztinnen und Ärzte bei 40 Stunden. Dabei gilt die Fünftagewoche, wobei ein Arbeitstag mit acht Stunden Arbeitszeit veranschlagt wird. Die Diensteinteilung erfolgt in der jeweiligen Abteilung unter Einbindung sämtlicher Ärztinnen und Ärzte. Die Erstellung des Dienstplans muss zwei Monate im Voraus erfolgen, verbindlich wird dieser zwei Wochen vor dem jeweiligen Monatsersten. Die Dienstlast soll innerhalb der Abteilungen gerecht verteilt werden, und es ist auf die individuelle Lebenssituation (Work-Life-Balance) Rücksicht zu nehmen.

Was in der Theorie einigermaßen nachvollziehbar klingt, fördert in der Praxis beträchtliche Probleme zutage. Konkret kann in den meisten Abteilungen – der Personalmangel lässt grüßen – ein Regelbetrieb nur durch bereits im Vorfeld geplante Überstunden der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte gewährleistet werden.

So wird der Dienstplangestaltung in der Realität längst keine 40-Stunden-Woche zugrunde gelegt. Aufgrund von meist zu knapp bemessenem Personal sowie durch falsche Berechnungen der zum regulären Betrieb notwendigen Vollzeitäquivalenten sind zumeist bereits bis zu 48 Stunden pro Woche im Sollplan vorgesehen.

Unplanmäßige Ausfälle durch Schwangerschaft oder Langzeitkrankenstände sowie Stundenreduktion einzelner Kolleginnen und Kollegen sind dann nur noch mit einer massiven Stundenüberschreitung durch Ärztinnen und Ärzte, die einer Vollzeitverpflichtung nachgehen, zu kompensieren.

Nicht zuletzt zeigt die äußerst wichtige und unabdingbare Umsetzung der Wochen- bzw. Wochenendruhe gemäß Arbeitsruhegesetz in der Dienstplangestaltung in der Praxis zusätzlich die Grenzen auf. Ärztinnen und Ärzte, die innerhalb ihrer Wochenendruhe geplante Dienste versehen, haben zurecht Anspruch auf eine entsprechende ununterbrochene 36-stündige Wochenruhe in der jeweiligen Kalenderwoche. Im Falle eines ungeplanten Diensteinsprunges zb aufgrund eines Krankenstandes während der vorgesehenen wöchentlichen Ruhezeit ergibt sich somit Anspruch auf Ersatzruhe in der folgenden Woche, welche auf die Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Dies führt unweigerlichdazu, dass zeitlich nachfolgende schon geplante Dienste der betreffenden Person dann wiederum abzugegeben sind und somit erneut vom restlichen Team kompensiert werden müssen, was in einer veritablen Endlosschleife mündet.

Korrespondierend dazu ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die enorme Komplexität, die mit der Dienstplanerstellung einhergeht, einen nicht unbeträchtlichen Personalaufwand erzeugt, der wiederum aufgefangen werden muss. In der Praxis manifestieren sich in diesem Zusammenhang auch Fragestellungen hinsichtlich personeller Zuständigkeit und Verantwortlichkeit sowie oft auch Funktionsweise der verwendeten Programme.

Das Team Szekeres hält fest, dass 40 Stunden Arbeitszeit ausreichen müssen.

Um eine adäquate Gesundheitsversorgung durch hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte sicherstellen zu können, ist es unabdingbar, personelle Ressourcen in einem Ausmaß bereitzustellen, welches nicht bereits im Falle von Urlaub, Krankheit oder Karenz zu einer Unterbesetzung führt, denn nur dann ist die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und eine gerechte Dienstplangestaltung auch wirklich möglich.

Gemeinsam setzen wir uns für alle jungen Kolleg:innen ein, um der Ausbildung der zukünftigen Fachärztinnen und Fachärzte endlich den Stellenwert zu verleihen, den sie verdient!

Unsere Ziele lauten:

Ausbildung:

  • Ausbildungszeit ist Dienstzeit – Ausbildungszeit mit 20% im Dienstplan einplanen
  • Fundierte Ausbildung muss in einer 40 (max. 48) Stunden Woche möglich sein
  • Jede Abteilung muss ein Ausbildungskonzept vorlegen, welches konsequent eingehalten wird
  • Mehrere Ausbildungsbeauftragte an einer Abteilung etablieren und zyklische Überprüfung der Tätigkeit
  • Honorierung der Tätigkeit von engagierten Ausbildnern
  • Einführung einer Ombudsstelle für Ärzte*innen in Ausbildung bei der ÄK
  • Einführung eines Online Evaluierungstools für die Ausbildung an den einzelnen Spitälern und Abteilungen
  • Mehr Sonderurlaub für Ärzt*innen in Ausbildung (min. 14 Tage)
  • Einführung einer Tauschbörse für den temp. Austausch mit anderen Spitälern, Abteilungen od. niedergelassenen Bereich
  • Konsequente Vidierung der Ambulanztätigkeit
  • Regelmäßige Fortbildungen an allen Abteilungen

Familienfreundliche Ausbildung:

  • Erweiterung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten in den Spitälern
  • Fortbildungsprogramme für Karenzierte etablieren und ausbauen
  • Wiedereinstieg nach der Karenz erleichtern (Förderprogramme)
  • Erleichterung der Möglichkeiten zur Teilzeitbeschäftigung
  • Förderung von Väterkarenzen

Arbeitszeit:

  • Strikte Einhaltung des AZGs, keine Opt-out Regelung
  • Konsequente Umsetzung der 40 Stunden Woche
  • Kontrolle zur Einhaltung der Kettenvertragsregelung
  • Faire Dienstplangestaltung
    • Gleichmäßige Verteilung der Überstunden auf FA/TÄ
    • Einhaltung der 50% freien Wochenenden im Durchrechnungszeitraum
    • Ruhezeiten einhalten
    • Faire Verteilung der Feiertags- und Wochenenddienste
    • Rechtzeitige Urlaubsplanung ermöglichenb
  • Stichprobenartige Kontrolle der durchschnittlichen Arbeitszeit von Ärzt*innen in Ausbildung
  • Einhaltung der 3-Monats-Frist für die Rotationen in der Allgemeinmedizinausbildung

Lehrarztpraxis:

  • Bundesländer übergreifende Tätigkeit Wien-Niederösterreich ermöglichen
  • Zuverdienst während Lehrarztpraxis ermöglichen (nicht nur während Pandemie!)
  • Dienste im „Stammspital“ während Lehrarztpraxis ermöglichen
  • Freiwillige Verlängerung der Lehrarztpraxis
  • Lehrarztpraxis zu jeder Zeit der Ausbildung möglich machen
  • Förderung der Lehrarztpraxis auch für Fachausbildungen
  • Lehrarztpraxis nach der Basisausbildung zur Überbrückung der Wartezeit auf die Facharztausbildung

Allgemeinmedizin-Ausbildung:

  • Facharzt für Allgemeinmedizin endlich umsetzen
  • Ausbildungskonzepte für Allgemeinmediziner*innen (Unterscheidung zu BA) an jeder Abteilung etablieren
  • Einführung eines Referats für Allgemeinmedizin Ausbildung (Überprüfung der Ausbildungskonzepte und Umsetzung)
  • Verpflichtende Zuteilung zu den Ambulanzen während den Rotationen (min. 25% Ambulanztätigkeit)
  • Flexiblere Gestaltung der Wahl- und Pflichtfächer
  • Angleichung an die Assistenzärzt*innen Ausbildung
  • Wechsel von Allgemein- in Facharztausbildung zu jeder Zeit ermöglichen

Wohlfahrtsfonds:

  • Reduzierte Beiträge für Ärzt*innen in Ausbildung (6% statt 12%)
  • Bessere Informationen für Ärzt*innen in Ausbildung
    • Regelmäßige Informationsveranstaltungen für neu eingetretene Ärzt*innen
    • Informationsveranstaltung bereits im KPJ
    • Welche weiteren Vorteile hab ich durch den WFF
  • Erhöhte Transparenz des WFF – Wieviel wird wo investiert?
  • Einführung eines eigenen vereinfachten Erhebungsbogens für Ärzt*innen in Ausbildung
  • Beitragsreduktionen während weiterführenden Ausbildungen ermöglichen

Transparenz der Ärztekammer:

  • Informationsveranstaltungen für Uni-Absolvent*innen (Funktion und Aufbau der Kammer)
  • Willkommensbrief und Infobroschüre für neu eingetretene Ärzt*innen
  • Transparenz zur Verwendung der Ärztekammerbeiträge
    • Mandatar*innen Gehälter
    • Referate
    • Aufwandsabgeltungen

Spitäler:

  • Maximale Anzahl an zu betreuenden „Betten“ im Dienst einführen: max. 60 (wie auch bei abteilungsübergreifender Tätigkeit)
  • Honorierung der Tätigkeit der Ausbilder*innen (ausbildende Ärzt*innen in den Spitälern halten)
  • Reevaluation der gestrichenen Dienstposten
  • Garderobe und Spind für jeden Arzt und Ärztin in Ausbildung inkl. Geschützter Umkleidemöglichkeit
  • Regelmäßige Einschulung in Dienstplanmodelle, Arbeitszeitgesetz, Wochenruhe, Gehaltsabrechnung, etc.
  • Erweiterung des Speisenangebots in den Kantinen (vegetarisch, vegan)
von Birgit Harisch-Lanschützer

Seit vielen Jahren werden wir als selbstständige Notärztinnen und Notärzte deutlich unter unserer Leistung bezahlt. Jahrelang wurden die niedrigen Stundentarife schweigend hingenommen, da es in unserer Branche unschicklich erscheint, über Geld zu sprechen, üben wir doch immerhin einen sozialen Beruf aus. Man möchte ja auf keinen Fall den Eindruck erwecken, man sei nur am Geld interessiert. Auch medial werden wir Ärztinnen und Ärzte gerne so dargestellt, als wären wir immens überbezahlt und würden trotzdem nur raunzen. Dieses Phänomen konnte man zuletzt bekanntlich auch bei den Berichten über die derzeitigen Impftarife beobachten.

Ich bin Notärztin geworden, obwohl ich wusste, dass es sich hierbei nicht um die lukrativste Sparte der Medizin handelt. Schließlich gehört mein Herz der Notfallmedizin seit ich mit 16 Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs besucht habe. Auch bin ich durch meinen Vater erblich „vorbelastet“, der seit vielen Jahren mit Leib und Seele als Notarzt tätig ist und mir die Liebe zur Notfallmedizin von klein auf vorgelebt hat. Ich habe in den letzten Jahren kaum darüber nachgedacht, dass die Tarife, die man uns für diese körperlich und psychisch sehr herausfordernde Arbeit bezahlt, dieser Tätigkeit eigentlich unwürdig sind. Zu sehr liebte ich diese Arbeit und kam daher gar nicht auf die Idee, dass man hier etwas ändern könnte. Auch spricht man über Geld ja irgendwie nicht.

In der Pandemie zeigte sich plötzlich, dass man uns doch sehr braucht. Um uns zu motivieren, neben der teilweise sehr anstrengenden Arbeit im Krankenhaus, in der Ordination und auf der Straße zusätzlich in unserer Freizeit zu arbeiten, war es nun plötzlich möglich, das Dreifache der bisherigen Notarzttarife anzubieten, wohlgemerkt für eine wesentlich einfachere Tätigkeit. Während ich bisher für 49 Euro brutto (ca. 22 Euro netto) pro Stunde teils in klirrender Kälte, strömendem Regen, tosendem Schneegestöber oder in Dachgeschoßwohnungen bei 50°C im Sommer Menschenleben rettete, bekomme ich nun 150 Euro dafür, dass ich in einem angenehm klimatisierten Raum mit Menschen spreche und sie über eine Impfung aufkläre. Natürlich würden viele von uns auch kostenlos Impfaufklärungen durchführen, zumal uns unglaublich viel daran liegt, diese Pandemie zu beenden. Nichtsdestotrotz ist es auch durchaus schön, eine überaus angemessene Bezahlung zu erhalten, vor allem da wir in diese Richtung bisher nicht so verwöhnt waren.

Auch wenn ich meine Tätigkeit als Notärztin weiterhin liebe, fällt es mir nun doch schwer zu akzeptieren, dass ich fortan dermaßen unterbezahlt weiterarbeiten soll. Meines Erachtens bietet sich nun eine gute Gelegenheit, um über Geld und adäquate Bezahlung zu sprechen.

Angenommen, jemand ist ausschließlich selbstständig als Notärztin bzw. Notarzt tätig und arbeitet 40 Stunden pro Woche und 47 Wochen im Jahr. Dieser Person bleiben am Ende netto ca. 3000 Euro übrig (mit 14 Monatsgehältern gerechnet, um es mit einem angestellten Arzt bzw. einer angestellten Ärztin vergleichen zu können). Dieses Beispiel setzt im Übrigen voraus, dass man nicht durch Krankheit ausfällt. Nur wenige Menschen würden sich für einen monatlichen Gewinn von bestenfalls 3000 Euro, der mit den Jahren noch dazu nicht steigt, in die Selbstständigkeit mit all den damit verbundenen Risiken begeben. Machen wir uns nichts vor, der hier errechnete Betrag hält dem Vergleich zu einem Gehaltsschema etwa im Krankenhaus schlichtweg nicht stand.

Auch ein Gegenüberstellen mit einer simplen Angestelltentätigkeit im Wigev führt zu Ernüchterung. Eine Allgemeinmedizinerin bzw. ein Allgemeinmediziner hat eine freiberufliche Notärztin bzw. einen freiberuflichen Notarzt mit dem Grundgehalt bereits in der sechsten Gehaltsstufe überholt, eine Fachärztin bzw. ein Facharzt schon in der fünften. Hinzu kommen im Gegensatz zum fixen Stundenlohn bei Notärztinnen und Notärzten noch Extrazulagen für Nacht- und Wochenenddienste, sodass der Verdienst von angestellten Spitalsärztinnen und -ärzten jenen einer freiberuflichen Notärztin bzw. eines freiberuflichen Notarztes schon deutlich früher übersteigt. Dies alles geschieht wohlgemerkt bei fehlendem wirtschaftlichem Risiko, dafür aber sozialer Sicherheit bei Schwangerschaft, Krankheit oder ähnlichem. Auch bei einem Vergleich mit selbstständig in einer Ordination tätigen Fachärztinnen und Fachärzten steigen Notärztinnen und Notärzte schlecht aus, übersteigt doch deren Gewinn jenen eines Notarztes bzw. einer Notärztin meist um ein Vielfaches.

Recherchiert man im Internet, stößt man schnell auf Empfehlungen, denenzufolge für selbstständige Tätigkeiten jeglicher Art mindestens 55 Euro pro Stunde veranschlagt werden sollten. Bedenkt man nun, dass eine Notärztin bzw. ein Notarzt ein abgeschlossenes Studium sowie eine abgeschlossene Facharztausbildung benötigt, sich durch Literatur und Fortbildungen stets fachlich auf dem aktuellsten Stand halten muss sowie generell einer physisch und psychisch extrem herausfordernden Tätigkeit nachgeht, so erscheinen die derzeitigen 49 Euro ausgesprochen kümmerlich. Gemäß Internetrecherche wird der Stundensatz eines Rechtsanwalts übrigens zwischen 100 und 1000 Euro pro Stunde taxiert. Zumindest am unteren Wert sollten wir uns orientieren. Warum wir lediglich die Hälfte eines schlechtbezahlten Anwalts verdienen sollen, ergibt für mich keinen Sinn.

Betrachtet man die aktuelle Situation, haben wir bereits einen Notärztinnen- bzw. Notärztemangel, der sich noch verstärken wird. Bisher waren vor allem Allgemeinärztinnen und Allgemeinärzte sowie Anästhesisten hauptberuflich oder in ihrer Freizeit als Notärztinnen und Notärzte tätig. Es entscheiden sich allerdings immer weniger Ärztinnen und Ärzte für eine Laufbahn als Allgemeinmedizinerin bzw. Allgemeinmediziner. Gerade die jungen Ärztinnen und Ärzte achten noch mehr als wir Älteren auf eine gute Work-Life-Balance und ein entsprechendes Einkommen nach Ausbildungsende. Dazu wurde auch die Ausbildung zur Notärztin bzw. zum Notarzt erweitert, was grundsätzlich begrüßenswert ist, da eine fundierte Ausbildung und Erfahrung vorgewiesen werden sollte. Nicht wegzudiskutieren ist aber auch, dass dies den bestehenden Mangel weiter verstärken wird. Aktuell stehen die schlechtbezahlten Notarztdienste auch in Konkurrenz zu den gut bezahlten Impfdiensten. Es ist also höchste Zeit, hier aktiv zu werden, um die vorhandenen Notärztinnen und Notärzte weiterhin zu motivieren, Dienste zu versehen und zukünftige Notärztinnen und Notärzte zu motivieren, die zeitintensive Ausbildung zu absolvieren.

Finanziert wird das Rettungswesen in Österreich durch die Krankenkassen sowie Länder und Gemeinden, den sogenannten Rettungseuro. Auch wenn ich persönlich keinen Einblick in die Verteilung der Gelder habe, bin ich davon überzeugt, dass wir Notärztinnen und Notärzte mehr wert sind als 49 Euro pro Stunde, und ich bin mir auch sicher, dass die gebotene Anerkennung finanzierbar ist. Wenn sich die Gemeinde Wien einen Energetiker leisten kann, der für schlappe 95.000 Euro einen Schutzring um das KH Nord legt, erschließt sich mir nicht, warum wir Notärztinnen und Notärzte weiterhin für 49 Euro pro Stunde (Jahresbruttolohn bei 47 Arbeitswochen zu 40 Stunden = 92.120 Euro) arbeiten sollen.

Es ist klar festzuhalten, dass wir uns, obwohl wir unseren Beruf lieben und ihn aus sozialen Motiven gewählt haben, wünschen, dass unsere Arbeit wertgeschätzt und auch finanziell anerkannt wird. Dazu müssen nun die Krankenkassen sowie Länder und Gemeinden in die Pflicht genommen werden, hier eine angemessene Bezahlung, die sich meines Erachtens nicht unter 100 Euro pro Stunde bewegen dürfte, zu gewährleisten.

Ich setzte mich daher weiterhin dafür ein, eine adäquate Bezahlung für uns Notärztinnen und Notärzte zu erreichen, und halte Sie über die erzielten Fortschritte auf dem Laufenden.

Bevor mein Dienst in einer Wiener Notfallambulanz beginnt, blicke ich noch einmal zum Fenster hinaus. Der Kranz aus buntem Herbstlaub, der sich um die stolzen Bäume im Garten der Einrichtung gelegt hat, zeugt von einem rasant voranschreitenden November. Etwas wehmütig wende ich mich ab und steuere auf meine Schutzkleidung zu. Deren ständiges An- und Ausziehen ist während der Pandemie zu einem festen Ritual geworden, Zeit kostet es dennoch. Dass diese wertvoll und rar gesät ist, bestätigt mir ein kurzer Blick auf die vielen wartenden Menschen. Eine Kollegin hat ihren Dienst soeben beendet. Ihr sind die Spuren eines langen Arbeitstages deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie wirkt auffallend abgekämpft. Unter großer Anstrengung murmelt sie mir ein paar knappe Grußworte zu und erwähnt dabei, dass sie erneut keine Zeit für ein kurzes Essen gefunden hat.

Mein erster Patient heute berichtet mir von Herzproblemen, die sich bei ihm zuletzt intensiviert hätten. Auch der reguläre Betrieb läuft bekanntlich weiter. Unmittelbar danach betreue ich eine Patientin, die sich mit dem Coronavirus infiziert hat, gleiches gilt wenig später für einen äußerst geschwächt wirkenden Herrn mit blauem Rollkragenpullover, der starke Symptome zeigt. Es geht nun Schlag auf Schlag weiter. Ein älterer Herr in augenscheinlich besorgniserregendem Zustand wird hereingebracht. Er muss prompt auf die Intensivstation verbracht werden, was seine Begleiterin, ich nehme an, es handelt sich dabei um seine Tochter, alles andere als gefasst aufnimmt. Die arme Frau bricht vor meinen Augen weinend zusammen. Ich möchte ihr gut zureden, sehe aber gleichzeitig, dass ein weiteres Rettungsfahrzeug vorgefahren ist – das zweite seit Beginn meiner Dienstzeit. Wenn dieses Tempo anhält, knacken wir heute erneut die Marke von 80 Rettungszufahrten. Ich muss die Frau zurücklassen, rufe nach dem Personal und laufe gleichzeitig hinaus, um den nächsten Patienten zu behandeln. Ich bin noch keine Stunde im Dienst und beginne bereits stark zu schwitzen. Momente wie diese durchlebe ich quasi nonstop Tag für Tag. Ich hoffe, dass es heute nicht noch schlimmer wird.

Der vorliegende anonyme Ereignisbericht eines Wiener Arztes skizziert den verstörenden Alltag in den Notfall- und Kinderambulanzen der Stadt. Konnte die Lage bereits vor Ausbruch der Pandemie getrost als angespannt bezeichnet werden, so hat sie die Coronakrise nun endgültig unerträglich gemacht. Ärztinnen und Ärzte, die bereits davor auf Anschlag gearbeitet haben, müssen physische und psychische Grenzen noch weiter als bisher überschreiten.

Das Team Szekeres hält fest, dass die Situation insbesondere betreffend Notfall- und Kinderambulanzen schier unerträglich geworden ist. Insbesondere für die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte braucht es jetzt dringend wirksame Entlastung. Sowohl Personal als auch Kapazitäten sind an ihrer Belastungsgrenze angelangt, hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Mit dem vorrangigen Ziel, Einsparungen zu erwirken, hat der Wiener Gesundheitsverbund (damals noch Krankenanstaltenverbund) einst unter Stadträtin Wehsely und Generaldirektor Janssen unterschiedliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Aus dieser Zeit stammt unter anderem das Phänomen der Abteilungszusammenlegungen bzw. der Auflösung von Abteilungen, insbesondere der „kleinen“ Fächer wie HNO, Derma, Augen oder Uro.

Im Rahmen dieser Bestrebungen wurden sogenannte Mehrfachprimariate eingeführt. So leitet ein Primarius bzw. eine Primaria mehrere Abteilungen gleichzeitig. Besondere Verbreitung findet dieses Modell in Fächern wie Innere Medizin, Labordiagnostik, Pathologie, HNO, Derma und Augen. Wenig Bedacht wurde dabei auf die fatalen Folgen dieser Maßnahme genommen. So lässt das System der Mehrfachprimariate etwa völlig außer Acht, dass die Leitungsfunktion in Abteilungen und Instituten in verschiedenen Häusern von einer Person alleine nicht in der nötigen Qualität und Verantwortlichkeit wahrgenommen werden kann. Der verantwortliche Primarius bzw. die verantwortliche Primaria kann die gebotene Präsenz schlichtweg nicht aufbieten.

Das Team Szekeres fordert daher die getrennte Ausschreibung und Besetzung sämtlicher Abteilungen. Jede einzelne dieser Organisationseinheiten sowie jede dort arbeitende Person hat die Wertschätzung, den Respekt und die Toleranz verdient, über eine Abteilungsleitung zu verfügen, die sich Vollzeit und uneingeschränkt einsetzen und damit auch tatsächlich Leitungsfunktion wahrnehmen kann.

Darüber hinaus müssen Abteilungsschließungen bzw. Zusammenlegungen endlich der Vergangenheit angehören. Sehr viele Patientinnen und Patienten werden älter und kränker und haben urologische, HNO-, Haut- und Augenprobleme zu beklagen. Im Lichte dieses Umstands ist es mehr als nachteilig, die Betroffenen nur in wenigen Zentren behandeln zu können.

Die Figur des Mehrfachprimariats stellt sohin eine bedenkliche Fehlentwicklung im Sinne eines flächendeckenden Missstands dar und ist unseres Erachtens mit einem funktionierenden Wiener Gesundheitssystem nicht in Einklang zu bringen.

Wir brauchen einen Stopp der fachlichen Aushöhlung der Spitäler…oder anders gesagt: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest – steige ab!
In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts traf man die Entscheidung, die Wiener Spitalslandschaft neu zu ordnen.
Schon in der Planung wäre es wichtig gewesen, abseits der Einteilung in Regionen mit sogenannten Partnerspitälern und der Bildung von Zentren, nicht nur die Bedürfnisse der Bevölkerung, sondern auch der Abteilungen eines Hauses untereinander zu bewerten und zu berücksichtigen.

Die adäquate Behandlung von Patienten in einem Spital benötigt einen guten Mix an Fachabteilungen, um die Konsiliarbegutachtung und die Versorgung von Notfällen sicherzustellen. Notfälle halten sich nicht an vorgegebene Zeiten in denen ein Konsiliarfacharzt zugeteilt wird. Dadurch wird in Randzeiten und in der Nacht gerade in Notfällen ein Arzt- bzw. Patiententourismus in Gang gesetzt – ein Konzept, das durchaus letal enden kann. Auf den administrativen und kommunikativen Mehraufwand, der das Personal belastet und von der Patientenversorgung fernhält, möchte ich hier nicht näher eingehen.

Deshalb wäre gerade wegen der angedachten Zentrumsbildung in einzelnen Häusern darauf zu achten gewesen, die durchaus sensible Abteilungszusammensetzung in Häusern ohne Zentrum der jeweiligen Fachrichtung nicht zu zerstören!

Das wurde und wird immer gefordert, wobei eine entsprechende Beachtung dieser Forderungen seitens der Verantwortlichen bisher ausbleibt. Abteilungen werden abgesiedelt, fast immer mit nur rudimentärem Konzept und ohne Beachtung der daraus folgenden Konsequenzen. Dort, wo es gelungen ist, nach jahrelangem Kampf vor Ort eine Abteilung vor der Zerschlagung zu bewahren, kommt nur gedämpfte Freude auf. Eilig wird  eine Kehrtwendung vollführt, die gerettete Abteilung sogar aufgewertet – nur, um prompt gegen Abteilungen in anderen Spitälern  auf die gleiche Weise vorzugehen. Dabei handelt es sich um ein zutiefst abzulehnendes Vorgehen. Unser Ziel muss ein durchdachtes und sinnvolles Gesamtkonzept für das Wiener Gesundheitssystem sein, und nicht die Bewahrung einer Abteilung in einem Haus auf Kosten anderer Häuser!

Statt in einen sinnvollen Dialog einzutreten, wird von den Verantwortlichen ein Konzept verfolgt, das schon seit Jahren kritisch hinterfragt wird, höchst überarbeitungsbedürftig ist und konsequent die Ressourcen der Spitäler aushöhlt.

Es ist Zeit ein Umdenken herbeizuführen – unser Gesundheitssystem ist uns wichtig und darf nicht zu einem Wien-weiten Pavillonsystem umgebaut werden!