Von Philipp Knasmüller
Thomas Szekeres für die Ärztekammerwahl Wien 2022
und Thomas Szekeres

Die andauernde psychische Belastung durch die Corona-Pandemie geht an Patient:innen und Ärzt:innen nicht spurlos vorbei. Laut einer aktuellen Publikation in „The Lancet Psychiatry“ litt nahezu ein Viertel (23.9 %) der an Covid-19 erkrankten Patient:innen innerhalb eines halben Jahres an einer Angststörung, affektiven oder psychotischen Störung – in 8,2 % der Fälle als Erstdiagnose.

Den steigenden Patient:innenzahlen steht ein sukzessiver Personalmangel entgegen – seit Jahren fehlt es an Fachärzt:innen und Ärzt:innen in FA-Ausbildung. Diese absehbare Entwicklung kulminiert in der aktuellen Mangelversorgung, die insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Versorgung der Jüngsten unserer Gesellschaft, eklatante Ausmaße und für Patient:innen und Ärzt:innen unzumutbare Zustände annimmt. Es wurden bereits Gefährdungs- und Überlastungsanzeigen eingebracht, Wartezeiten für Behandlungen ohne „akute Gefährdung“ steigen oder werden gänzlich in den niedergelassenen Bereich abgeschoben, beträchtliche Pensionierungswellen von Psychiater:innen stehen bevor, und durch den massiven FÄ-Mangel ist es den Ausbildungsverantwortlichen erheblich erschwert die erforderlichen Ausbildungsbedingungen zu gewährleisten.

Systemischer Mangel trotz Mangelfachverordnung

Die Fächer „Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“ und „Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“ sind bereits 2015 durch das Gesundheitsministerium zu „Mangelfächern“ erklärt worden. Im aktuellen Rechnungshofbericht zur Ärzteausbildung (Dezember 2021) werden abermals die erhebliche Unterversorgung und die zu geringe Anzahl an psychiatrischen Fachärzt:innen beschrieben. Trotz der offenkundigen Missstände konnten laut RH-Überprüfung seit Inkrafttreten der Mangelfachverordnung österreichweit (!) nur 30 zusätzliche Ärzt:innen (7.7 %) überzeugt werden, die Ausbildung in den beiden Mangelfächern zu beginnen.
Folglich drängt der Rechnungshof, bei unzulänglichen Ausbildungskapazitäten „Maßnahmen für eine wirksame, bedarfsorientierte Nachwuchssteuerung zu erarbeiten“.

Entgegen der Zielsetzung sehen sich Ärzt:innen in psychiatrisch-fachärztlicher Ausbildung mit äußerst unattraktiven Arbeits- und Ausbildungsbedingungen konfrontiert!
Neben der psychiatrischen Ausbildung ist die psychotherapeutisch-medizinische Ausbildung eine fundamentale Säule des fachärztlichen Kompetenzerwerbs und unerlässlich für die ärztliche Betreuung psychiatrischer Patient:innen.  Entsprechend der Ärzteausbildungsordnung sind eine fundierte theoretische und vertiefend-praktische Ausbildung in psychotherapeutischer Medizin Pflichtbestandteile der Fachärzt:innenausbildung. Eben diese Pflichtbestandteile (!) der Ausbildung werden jedoch nicht als Dienstzeit gerechnet, um auf supranationaler Ebene erstrittene Höchstgrenzen der Arbeitszeit zu umgehen, und müssen häufig an Wochenenden und Abenden in der Freizeit geleistet werden.

Fachärzt:innen, die den dringenden Personalmangel an den psychiatrischen Abteilungen ausgleichen sollen, müssen zuvor hunderte Arbeitsstunden – zumindest 590 Ausbildungseinheiten und 125 Stunden psychotherapeutisch-medizinischer Patient:innenführung unter Supervision, samt detaillierter Dokumentation und Fallvorstellungen – unentgeltlich leisten. Lediglich 80 Ausbildungseinheiten und Dienststunden werden für Auszubildende an psychiatrischen Abteilungen des Wiener Gesundheitsverbundes regulär finanziert.

Zusätzlich zu dem zeitlichen Aufwand müssen die Kosten für Vortragende, Supervidierende sowie deren Organisation (in Höhe von meist > 15 000 €/ Ärzt:in) durch die Auszubildenden selbst getragen werden, und es gibt nur mangelhafte Kompensationskonzepte. Somit werden die als Ausbildungsstätten anerkannten Wiener Spitäler ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der fachlichen Erfordernisse nicht gerecht!

Wir stellen klar: Ausbildungszeit ist Dienstzeit!

Wir fordern die umgehende sowie vollständige Anrechnung der verpflichtend zu absolvierenden Ausbildungszeiten als Dienstzeit!
Um zusätzliche Ärzt:innen für die Ausbildung in den Mangelfächern „Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“ und „Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“ zu gewinnen, sind eine bessere Finanzierung der Ausbildung, eine Mangelfachzulage für Ärzt:innen in Ausbildung und Fachärzt:innen sowie flexiblere, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle erforderlich!