Von Katharina Hawlik
Marlene Sachs Team Thomas Szekeres
und Marlene Sachs

Bereits seit 2013 ist die Rede davon: Mit der neuen Ausbildungsordnung sollte eine Fachärztin bzw. ein Facharzt für Allgemeinmedizin kommen, die Ausbildung Allgemeinmedizin verbessert und die Allgemeinmedizin als solche attraktiviert werden. Ich hatte mein Studium damals noch nicht abgeschlossen, wusste aber bereits, dass ich auf diese neue Ausbildung und diese Fachärztin bzw. diesen Facharzt für Allgemeinmedizin unbedingt warten will. 

Dann kam die Ausbildungsordnung 2015 – aber leider wurden die Versprechungen nicht entsprechend in die Tat umgesetzt. Es gab weder den Titel der Fachärztin bzw. des Facharztes noch wurde der Turnus und damit die Ausbildung grundlegend verändert oder verbessert. 

Im Gegenteil, manche der Änderungen wirkten sich leider sogar negativ auf die Ausbildung Allgemeinmedizin aus: Zum Bespiel war es früher leicht möglich, bereits vor Beginn oder während des Spitalsturnus eine Rotation in einer Lehrarztpraxis zu absolvieren. Viele Kolleg:innen konnten auf diese Weise wichtige Einblicke in die Arbeitswelt der Allgemeinmedizin gewinnen und bekamen eine gute Vorbereitung auf den Klinikalltag. Durch das direkte Mentoring der Lehrpraxisärzt:innen wurde  es den jungen Kolleg:innen schmackhaft gemacht, sich auch langfristig für die Allgemeinmedizin zu entscheiden.

Derzeit ist die Absolvierung der Lehrpraxis nur mehr am Ende der Ausbildung möglich, und man erfährt erst nach einer 36-monatigen Ausbildung, wie das Berufsbild Allgemeinmedizin eigentlich aussieht. Auch das 1:1-Mentoring ist zu diesem Zeitpunkt ein anderes, zumal in diesem Stadium erwartet wird, dass die Kolleg:innen bereits gut durch die Spitäler ausgebildet wurden. Oft werden diese daher als zusätzliche und günstige Arbeitskräfte eingesetzt, die bereits selbständig arbeiten müssen. (Mehr dazu bereits in diesem Artikel zur Lehrarztpraxis)

Durch die Einführung der Basisausbildung gibt es nun einen neunmonatigen Common Trunk für alle Ärzt:innen in Ausbildung, der quasi einem Kurzturnus mit drei Rotationen gleichkommt. Dies hat aber nicht zu einer Verbesserung der Ausbildung geführt. Für die Ausbildungsärzt:innen geht die Basisausbildung einfach für weitere 27 Monate Spitalsturnus weiter, denn zwischen Ärzt:innen der Basisausbildung im ersten Ausbildungsjahr und Ärzt:innen in der Allgemeinmedizinausbildung im letzten Ausbildungsjahr wird leider hinsichtlich Aufgabenverteilung und Verantwortungsniveau kaum ein Unterschied gemacht. Dieser Umstand ist für die beinahe fertigen Allgemeinmediziner:innen frustrierend, zudem dürfte es damit nicht gelingen, jungen Ärzt:innen in Basisausbildung die Allgemeinmedizin schmackhaft zu machen. Warum sollte ich mich für eine Ausbildung entscheiden, in der ich nach drei Jahren immer noch die gleichen Routinetätigkeiten durchführen muss, die niemand machen will? 

Nun steht die Fachärztin bzw. der Facharzt für Allgemeinmedizin erneut im Koalitionsvertrag der Regierung, aber außer der bereits vereinbarten schrittweisen Verlängerung der verpflichtenden Lehrärzt:innenpraxis von sechs Monaten auf zunächst neun Monate (ab Ausbildungsbeginn 1.6.2022) und langfristig auf zwölf Monate ist bisher noch nicht viel bekannt.

Eine Verlängerung der Lehrärzt:innenpraxis, noch dazu nur am Ende der Ausbildung, ist jedoch nicht genug, um einer Fachärzt:innenausbildung zu gleichen. Ohne eine Verbesserung des Spitalsturnus und ohne einer Anpassung des Gehalts in der Lehrpraxis werden sich immer weniger Kolleg:innen für diese Ausbildung entscheiden. 

Wien hat sich dabei noch selbst eine Flanke geöffnet: So gibt es hier bereits jetzt zu wenige Lehrpraxisstellen, um allen Absolvent:innen einen Platz anbieten zu können. Ein Wechsel ins umliegende Bundesland ist de facto nicht möglich, da man dort in einem Krankenhaus angestellt sein muss, um die Lehrpraxis zu absolvieren. Im Gegensatz dazu ist dies in den WiGev-Häusern nicht möglich und führt aufgrund der fehlenden Nacht- und Wochenenddienste zu starken Gehaltseinbußen von mehr als 2000 Euro (mehr dazu hier). Das wollen und können sich viele fast fertige Allgemeinmediziner:innen nicht leisten. Folglich suchen sich diese andere Anstellungen oder wechseln letztlich doch noch in ein Fach. 

Doch auch der Wechsel von der Allgemeinmedizin in ein Fach ist im WiGev nicht möglich (im großen Unterschied zu anderen Fächern, wo dies aufgrund des Wegfalls der Gegenfächer oft praktiziert wird). Habe ich also mit der Allgemeinmedizinausbildung begonnen, kann ich für die gesamte Zeit meiner Ausbildung offiziell nicht mehr in ein anderes Fach wechseln. Inoffiziell ist es möglich, wenn es sich dabei um ein Mangelfach handelt oder sich Primaria besonders für jemanden einsetzten – selbst dann ist dieser Vorgang jedoch schwierig und mit viel Unsicherheit verbunden. Für Jungärzt:innen, die sich für die Allgemeinmedizin interessieren, wird die Ausbildung dadurch leider nicht attraktiver. Eine Ausbildung, an die ich für drei Jahre gebunden bin, und die mich nicht wechseln lässt, wirkt einschränkend, noch dazu, wenn man nicht weiß, was einen am Ende in der Praxis erwartet. Zudem fühlt es sich so an, als wäre man im Topf derer übriggeblieben, die keine andere Wahl hatten. 

Nicht nur der Wechsel ist schwierig: Sollte man diesen schaffen, kommt hinzu, dass die Ausbildung Allgemeinmedizin nicht mehr auf andere Fächer anrechenbar ist. Bei einem Wechsel ins Fach Innere Medizin werden die neun Monate Innere Medizin des Turnus nicht angerechnet, da man ja „nur“ im Turnus Allgemeinmedizin ist. Umgekehrt würden allerdings bei einem Wechsel vom Fach Innere Medizin in die Allgemeinmedizin die Monate Innere Medizin angerechnet werden. Will ich eine solide und gute Ausbildung für Innere Medizin, aber langfristig in der Allgemeinmedizin tätig sein, ist es in Wien besser, ich starte eine Ausbildung für Innere Medizin und wechsle nach zwölf Monaten in den Turnus Allgemeinmedizin. Denn leider trifft die Formulierung „nur Turnus“ den Nagel auf den Kopf: Im Turnus sind wir für jene Dinge zuständig, die in der Routinearbeit übrigbleiben, für die sich niemand zuständig fühlt bzw. die niemand machen will. Eine solche Unterscheidung der Tätigkeiten der Ärzt:innen in Ausbildung, die von den Ausbildungsjahren unabhängig ist, dafür vielmehr von der Ausbildung selbst (Allgemeinmedizin oder Fach) abhängt, gibt es in anderen Ländern nicht. Waren es während der Covid-Pandemie die Covid- Abstriche, sind es in Nicht-Pandemiezeiten Routineaufnahmen, Schreibarbeiten in Papierkurven, Entlassungsbriefe etc. In die Ambulanzen kommen wir gerade auf internen Abteilungen kaum, obwohl genau das jene Arbeit wäre, die für die Allgemeinmedizin relevant ist: Wie stelle ich einen Blutdruck richtig ein, wie entwickle ich ein Insulin-Schema, welche Alarmglocken müssen bei onkologischen Patient:innen in der Allgemeinmedizin läuten? 

Mir war bereits früh in der Ausbildung klar, dass Allgemeinmedizin jenes Fach darstellt, in dem man das breiteste und damit umfassendste Wissen braucht, die Patient:innen ganzheitlich betrachten muss und den Fokus nicht nur auf ein Organ oder ein Problem legen darf. Für mich war und ist es eines der spannendsten Fächer der Medizin, mit der größten Abwechslung im Alltag und der flexibelsten Gestaltung der Work-Life-Balance. Eigentlich würde es sich hierbei um einen sehr attraktiven Job handeln – wenn er nicht durch das Ausbildungssystem unattraktiv gemacht würde. 

Das sind unsere Ziele für die Allgemeinmedizin: 

  • Eine Ausbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt für Allgemeinmedizin, die dieser Aufgabe gerecht wird und mit einer Angleichung der Tarife auf Fachärzt:innenniveau einhergeht
  • Ein attraktives Ausbildungsmodell für die Allgemeinmedizin, das über eine alleinige Verlängerung der Lehrärzt:innenpraxis hinaus geht
  • Mitentscheiden! Die Sektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer verhandelt in diesem Moment die Fachärztin bzw. den Facharzt für Allgemeinmedizin gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Wir als junge und zukünftige Allgemeinmediziner:innen wollen mitsprechen können! 
  • Flexiblere Gestaltung der Wahl- und Pflichtfächer
  • Verbesserung der Entlohnung während der Lehrpraxiszeit und Möglichkeit des Zuverdienstes über Dienste und Anstellungen im Krankenhaus
  • Wechsel von Allgemein- in Fachärztinnenausbildung und umgekehrt zu jeder Zeit ermöglichen
  • Einführung eines Referats für die Allgemeinmedizin-Ausbildung (Überprüfung der Ausbildungskonzepte und Umsetzung)
  • Ausbildungskonzepte und Ansprechpartner:innen für Allgemeinmediziner:innen (mit Unterscheidung zu Basisausbildung) an jeder Abteilung etablieren und Angleichung an die Assistenzärzt:innen-Ausbildung (Assistenzärzt:innen in Ausbildung Allgemeinmedizin)

Benjamin Glaser im Team Szekeres
von Benjamin Glaser

Als sehr unbefriedigend und in höchstem Maße ineffizient stellt sich recht häufig die Arbeitssituation an Wochenenden in den Notfallambulanzen dar. Ordinationen und Privatkliniken haben geschlossen, die wichtige Aufgabe der Akutversorgung fällt bekanntlich den Häusern des Wiener Gesundheitsverbunds zu. Mitunter kann es sogar vorkommen, dass ein Spital alle Patientinnen und Patienten in Wien unfallchirurgisch versorgen muss. Da ist es der Sache alles andere als dienlich, dass die sehr häufigen Rettungszufahrten in der Regel nur unzureichend gelenkt werden. 

Ferner kommt es in der Praxis häufig vor, dass Patientinnen und Patienten mit akut auftretenden Beschwerden, die zuvor nicht mit einem Hausarzt abgeklärt wurden, die Notfallambulanz aufsuchen. Man muss aufgrund der einschlägigen Erfahrungen nicht einmal überspitzt formulieren, um festzustellen, dass die Notfallversorgung mitunter auch mit Problemstellungen wie beispielsweise einem seit drei Wochen eingewachsenen Zehennagel befasst wird. An dieser Stelle findet keine Lenkung statt, der Strom an Patientinnen und Patienten gelangt hier ungefiltert – mit allen Konsequenzen für das Personal – in die Aufnahme. Auf diese Weise wird nicht selten eine Kollegin bzw. ein Kollege um Mitternacht zur Vornahme einer Behandlung angerufen.

Das Team Szekeres spricht sich deshalb für eine bessere Lenkung im Sinne einer funktionierenden Notaufnahme aus. Konkret muss sichergestellt werden, dass ärztliches Personal nur konsultiert wird, wenn eine entsprechende Notfallsituation indiziert ist. Es ist in höchstem Maße ineffizient und wohl auch finanziell nicht argumentierbar, wenn Patientinnen und Patienten zu jeder Tages- und Nachtzeit direkt eine Spezialistin bzw. einen Spezialisten konsultieren können, ohne zuvor eine andere Ärztin bzw. einen anderen Arzt aufgesucht zu haben. Hier bedarf es unserer Ansicht nach einer effizienteren Handhabung im Sinne einer gewissenhaften und professionellen Vorauswahl, bevor das breite Spektrum einer Notfallambulanz hochgefahren wird. Den Luxus einer 24-Stunden-Versorgung für Belange, die normalerweise durch die Hausärztin bzw. den Hausarzt abgeklärt werden können, kann sich selbst das beste Gesundheitssystem der Welt nicht leisten – schon gar nicht, wenn es über kurz oder lang eine Abwanderung von Fachpersonal aus den betroffenen Häusern verhindern möchte.

Thomas Szekeres für die Ärztekammerwahl Wien 2022
Von Thomas Szekeres

In politischen Kreisen gilt das Modell der Primärversorgungszentren, also ein Zusammenschluss von mindestens drei Ärzt:innen für Allgemeinmedizin mit Vertreter:innen anderer Gesundheitsberufe, als das Allheilmittel schlechthin. Politiker:innen sämtlicher Parteien sind der Überzeugung, die Primärversorgung mit solchen Zentren besser erbringen zu können und drängen deshalb auf die Gründung möglichst vieler dieser Einrichtungen. 

Aus unserer Sicht machen Primärversorgungszentren grundsätzlich durchaus Sinn, als alleiniges Modell wollen wir diese jedoch nicht begreifen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. So gestaltet sich in der Praxis die Zusammenarbeit mehrerer Kolleg:innen nicht immer friktionsfrei, darüber hinaus gibt es viele Ärzt:innen, die Einzelordinationen bevorzugen. Auch für die Patient:innen stellt sich die Situation unterschiedlich dar. Jüngere etwa favorisieren den kurzen Stopp in einem PVZ, Ältere bevorzugen in der Regel hingegen tendenziell die klassische Betreuung durch ihre Hausärzt:innen. Unserer Ansicht nach sollten beide Modelle offenstehen. Darüber hinaus gibt es auch Netzwerke, die eine engere Abstimmung mehrerer Einzelordinationen ermöglichen. 

Verbesserungsmöglichkeiten für die Lehrpraxis

Dr. Nina Böck im Team Szekeres
von Nina Böck

Auch wenn die Einführung einer verpflichtenden Lehrpraxis im Rahmen der Ärzt:innenausbildungsordnung 2015 (ÄAO 2015) zweifellos einen Meilenstein in der Verbesserung der Ausbildung zukünftiger Allgemeinmediziner:innen markierte, können beträchtliche Problemfelder nicht von der Hand gewiesen werden. Im Folgenden zeigen wir in Form eines praxisnahen FAQs konkrete Verbesserungsmöglichkeiten auf.

1. Muss ich als Wiener:in meine Lehrpraxis in Wien absolvieren?

Zu dieser Fragestellung kann ich aus persönlicher Erfahrung berichten. Meine Großmutter besitzt ein Sommerhaus in einem kleinen Ort in Niederösterreich. Die medizinische Versorgung in dieser Gegend ist seit jeher äußerst dürftig. Vor ein paar Jahren haben schließlich zwei Allgemeinmediziner:innen im Nachbardorf eine tolle Gruppenpraxis mit Hausapotheke eröffnet. Das nächste Krankenhaus ist mehr als eine halbe Stunde Autofahrt entfernt, weshalb in dieser Ordination viele Patient:innen behandelt werden, die in Wien direkt in der Notfallambulanz landen.

Als angehende Allgemeinmedizinerin hätte ich nur zu gerne eine Lehrpraxis in dieser Ordination absolviert. Da es nur wenige Lehrpraktikant:innen in diese abgeschiedene Gegend verschlägt, hätte mich der Praxisleiter auch sofort eingestellt. Allerdings gab es dabei ein Problem: Ich habe meinen Turnus in Wien absolviert, weshalb es nicht möglich ist, eine geförderte Lehrpraxis in Niederösterreich zu bekommen. Voraussetzung für die Förderung der Lehrpraxis in Niederösterreich ist eine Anstellung in einem niederösterreichischen Krankenhaus. Umgekehrt ist es jedoch Personen, die den Turnus in Niederösterreich absolviert haben, problemlos möglich, die Lehrpraxis in Wien zu machen.

Vor allem vor dem Hintergrund des schon jetzt drohenden Mangels an Allgemeinmediziner:innen speziell im ländlichen Bereich ist diese Regelung völlig unverständlich.

Das Ziel des Team Szekeres ist die Schaffung einer bundesländerübergreifenden Möglichkeit der Lehrpraxis.

2. Mit welchen Gehaltseinbußen muss ich rechnen?

Derzeit verlieren Ausbildungsärzt:innen, die ihren Turnus in einem Krankenhaus des Wiener Gesundheitsverbunds (WiGeV) absolviert haben, mit Antritt der Lehrpraxis zirka 40 Prozent ihres ursprünglichen Gehalts. Gründe dafür sind der Wegfall der Nacht- und Wochenenddienste im Krankenhaus sowie die meist auf 30 Stunden reduzierte Wochenarbeitszeit. Für nicht wenige der Betroffenen führt dies zu einer finanziell äußerst schwierigen Situation. Deshalb ist es für Ausbildungsärzt:innen in fast allen Bundesländern möglich, während der Lehrpraxis weiterhin im Ausbildungsspital angestellt zu sein und Dienste zu absolvieren. Der WiGeV erlaubt dies derzeit leider nicht.

Es muss daher dringend auch im Bereich des WiGeV ermöglicht werden, Dienste während der Lehrpraxis zu absolvieren.

3. Wann darf ich die Lehrpraxis machen?

Derzeit darf die Lehrpraxis für Allgemeinmedizin ausschließlich am Ende des Turnus absolviert werden. Als Argument dafür wird die „Erfahrung der Ausbildungsärzt:innen“ angeführt. Leider führt dies auch oftmals dazu, dass Lehrpraktikant:innen als billige Arbeitskräfte angesehen und in vielen Ordinationen kaum vidiert werden. Für die Ausbildungsärzt:innen geht auf diese Weise jegliche Flexibilität zur Gestaltung der eigenen Ausbildung verloren.

Weiters denken wir, dass die Möglichkeit, bereits nach der Basisausbildung in die Lehrpraxis zu wechseln, die Anzahl der Personen, die sich für Allgemeinmedizin entscheiden, erhöhen könnte. Die administrativen Tätigkeiten von Turnusärzt:innen im Krankenhaus haben wenig mit der späteren Tätigkeit von Allgemeinmediziner:innen zu tun. Erkennt man gleich zu Beginn der Ausbildung, worauf es in der Ordination ankommt, können während der Ausbildung im Krankenhaus gezielt Lücken geschlossen werden.

Ziel des Team Szekeres ist es daher, die Lehrpraxis nach abgeschlossener Basisausbildung wieder zu jedem Zeitpunkt der Ausbildung zu ermöglichen.

4. Darf ich in anderen Fächern eine Lehrpraxis absolvieren?

Derzeit darf in der Fachärzt:innenausbildung erst nach der Sonderfach-Grundausbildung, sprich nach drei Jahren Ausbildung, eine Lehrpraxis absolviert werden. Weiters gibt es im Rahmen der Fachärzt:innenausbildung keine Förderung der Lehrpraxis. Für viele Assistenzärzt:innen ist es sehr attraktiv, einen Teil der Ausbildung im niedergelassenen Bereich zu absolvieren, da es dort ein 1:1-Mentoring gibt.  So könnte zum Beispiel in der Pädiatrie sehr viel Sicherheit für die zukünftige Ambulanztätigkeit im Krankenhaus gewonnen oder in der Kardiologie das Herzecho perfektioniert werden. Da viele Kolleg:innen längere Zeit auf eine freie Ausbildungsstelle warten müssen, wäre es auch möglich, durch die Lehrpraxis die Wartezeit zu überbrücken und bereits fachspezifische Kenntnisse zu sammeln. 

Unser Ziel ist es daher, die Lehrpraxisförderung auch für alle anderen Fächer zu etablieren.

5. Wo und wie finde ich eine passende Lehrpraxisstelle?

Derzeit gibt es keine funktionierende Plattform, die eine Übersicht über freie Lehrpraxisstellen ermöglicht. Sowohl für Lehrpraxisinhaber:innen als auch für Ausbildungsärzt:innen führt dies oft zu unnötigem Stress und langwierigen Suchen. Weiters gibt es keine öffentlich zugänglichen Evaluierungen der einzelnen Ordinationen. Wir denken, dass die Qualität der Ausbildung durch öffentlich zugängliche Erfahrungsberichte deutlich steigen könnte. Lehrpraxisinhaber:innen bekommen in weiterer Folge nur Bewerbungen, wenn sie die Jungärzt:innen ausreichend ausbilden.

Unser Ziel ist es daher, eine österreichweite Plattform für Lehrpraxisstellen zu etablieren.

Dr. Sophia Merl  im Team Szekeres
von Sophia Merl

19:30: Endlich sind alle Aufnahmen abgearbeitet. Vielleicht kann ich mir eine halbe Stunde Ruhe im Dienstzimmer gönnen. Also ab auf Ebene acht! Der Gang ist finster, nach Sonnenlicht sucht man hier vergeblich, aber vor allem funktionieren die Ganglichter nicht mehr. Leider kümmert sich niemand darum. Wozu auch? Der Schimmel wuchert an der Decke, die Wände sind abgebröckelt und rissig – ein echter Ort zum Wohlfühlen! Das Dienstzimmer gefunden, lege ich mich auf das Bett. Im Sommer ist es hier zum Sterben heiß, und im Winter zieht es nur so bei den Fenstern rein – aber immerhin funktioniert die Heizung. Ich habe Durst, ein Waschbecken gibt es jedoch nicht. Naja, dann warte ich eben, bis ich wieder rausmuss. 

Der Anruf folgt wie erwartet. Ein Laborbefund ist fertig, und ich werde gebeten, ihn mir anzusehen. Am Schreibtisch steht ein alter Röhrenfernseher mit einer Antenne, die bis zur Decke reicht. Ich habe keine Ahnung, was der hier macht. Ich bezweifle stark, dass er funktioniert, und Befunde kann ich mir darauf auch nicht ansehen. Vielleicht dient er ja zur Dekoration? Es geht also wieder fünf Stockwerke runter, um zu einem Computer zu kommen. 

Alles in Ordnung, der Befund war unauffällig, der Patientin geht es gut. Also geht es wieder hoch. Langsam könnte ich mich bettfertig machen, mir das Gesicht waschen und die Zähne putzen. Ich schnappe mir also meine Zahnbürste und wage mich auf den nur spärlich beleuchteten Gang hinaus. Es wirkt hier fast wie in einer Szene aus einem Horrorfilm. Plötzlich kommt mir mein OA entgegen. Peinlich, ich stehe hier mit der Zahnbürste in der Hand und trage keinen BH mehr. Ich komme mir vor wie damals auf der Schullandwoche mit Gemeinschaftsduschen und Gemeinschaftsbad. 

Das kleine Waschbecken ist in eine Ecke gezwängt – natürlich spuckt es nur Kaltwasser aus. Brrr…. Noch schnell auf die Toilette, denn dafür möchte ich nicht unbedingt noch einmal aufstehen. Ich weiß zwar nicht, welche jetzt die Damen- und welche die Herren-WCs sind, denn es ist nichts angeschrieben, aber zum Glück ist mir so etwas egal. Am Klo kann man übrigens etwas über österreichische Geschichte lernen: Wie haben Toiletten vor über 50 Jahren ausgesehen? Irgendwie erinnert mich das an den Klomuseumsbesuch in Gmunden – mit dem Unterschied, dass ich hier in den Genuss einer echten Live-Vorführung komme.

Gut, ich beeile mich zurück ins Zimmer und hoffe, dabei niemandem mehr zu begegnen. Das Ganze ist so schon unangenehm genug. Im Zimmer zieht es, Internet habe ich in dieser Kammer sowieso nicht, also habe ich die Wahl, es mir am abgesessenen Lehnsessel (un)gemütlich zu machen, oder einfach zu kapitulieren. Nachdem ich vermutlich ohnehin bald wieder angerufen werde, entscheide ich mich für Letzteres und mache kurz die Augen zu. 

01:00: Das Handy läutet. Es handelt sich um eine Aufnahme. Ich versuche, mich in der Finsternis des Zimmers anzuziehen. Auch hier gibt es kein Licht. Die Deckenlampe ist seit drei Wochen kaputt. Irgendwie ist das aber auch schon egal, der Lampenschirm ist dermaßen verstaubt und vergilbt, dass eine Inbetriebnahme wohl keinen Unterschied machen würde. Ein Nachttischlicht gibt es selbstverständlich auch nicht. Zum Glück habe ich ja die Taschenlampe vom Handy.

04:00: Mein Pager piepst „NOTSECTIO“. Mein Puls schnellt sofort auf 200 hoch. Was steht da am Pager? „AAAAA“? Was mache ich jetzt? Soll ich rennen? Ich rufe die Assistenzärztin an. Sie hebt ganz entspannt ab – keine Notsectio also. Sie gibt mir den Hinweis, dass der Batteriestand des Pagers vermutlich schon niedrig sei. Großartig, woher bekomme ich jetzt Batterien? Abschalten kann ich das Ding auch nicht, und so piepst es alle fünf Minuten munter vor sich hin. Das war es dann mit dem Schlafen. Immerhin habe ich ein Telefon, hoffentlich hat das genug Akku. Es gibt hier nämlich nichts zum Aufladen, geschweige denn ein Zimmertelefon. 

06:30: Als ich den Pager gerade zum gefühlt hundertsten Mal stummschalten will, erreicht mich der Anruf „eilige Sectio“. Zum Glück war die Assistenzärztin so aufmerksam, mich eigens anzurufen. Ich mache mich also auf in den OP. Eine Menge Fruchtwasser auf die Schuhe bekommen, Blutspritzer auf der Covid-Maske – ich will nur noch duschen. Also ab ins Bad. Ich versuche auszublenden, wie unhygienisch hier alles ist. Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Ich drehe das Wasser auf – zum Glück ist es warm.  Der Duschkopf ist so verkalkt, dass es in alle Richtungen sprüht. Jetzt gebe ich auf. Ich will nur noch nach Hause.

Nur noch 71 Dienste in diesem Jahr. 

Eine funktionierende und zeitgemäße Infrastruktur sollte eine unabdingbare Grundvoraussetzung unserer ärztlichen Tätigkeit in den Spitälern darstellen. Dabei ist nicht nur essentiell, dass die notwendigen Ressourcen für eine moderne Patient:innenversorgung vorhanden sind, sondern auch die Einrichtungen für unsere persönlichen Belange einen gewissen Mindeststandard erfüllen. Immerhin verbringen wir hier einen nicht unerheblichen Teil unseres Lebens.

Das Team Szekeres fordert daher, dass die notwendigen Umbau- und Modernisierungsarbeiten in unseren Spitälern endlich in Angriff genommen und auf einen zeitgemäßen und vor allem lebenswerten Stand gebracht werden.

Thomas Szekeres für die Ärztekammerwahl Wien 2022
Von Thomas Szekeres
Dr. Nina Böck  im Team Szekeres
und Nina Böck

Hausärzt:innen gelten ohne Zweifel als die absoluten Lieblinge der Patient:innen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. In der Regel sucht man sich seine Hausärztin bzw. seinen Hausarzt selbst aus und wird von dieser bzw. diesem oft ein Leben lang begleitet. Hausärzt:innen kennen ihre Patient:innen bzw. deren Umfeld und können bei Krankheit rasch helfen.

Was für Patient:innen selbstverständlich ist, gilt jedoch nicht für das System. Dieses kann bekanntlich nicht mit der gebotenen Wertschätzung aufwarten. Hausärzt:innen werden viel schlechter bezahlt als Fachärzt:innen. Weiters entscheiden sich oft insbesondere Frauen mit Kinderwunsch, wegen mangelnder finanzieller Absicherung im Falle einer Schwangerschaft, gegen den Schritt in die Selbstständigkeit. Daraus resultieren zunehmend Probleme im Zusammenhang mit der Nachbesetzung von Kassenstellen.

In manchen Bezirken werden aus diesem Grund bereits Förderungen ausgeschüttet. Unserer Ansicht nach sollte neben der Einführung der Fachärztin bzw. des Facharztes für Allgemeinmedizin, auch das Honorar an jenes der Fachärzt:innen angeglichen und somit wesentlich angehoben werden. Außerdem denken wir, dass innovative Karenzmodelle für werdende Mütter und Väter mit eigner Praxis geschaffen werden müssen. Damit würde man Hausärzt:innen die verdiente Wertschätzung angedeihen lassen und einen wichtigen Beitrag leisten, um die benötigten Stellen künftig leichter besetzen zu können. Darüber hinaus braucht es regionale Förderungen und günstige Finanzierungen bei der Ordinationserrichtung. Auf diese Weise sollte es auch gelingen, Engpässe in der Primärversorgung in den Griff zu bekommen.

Marina Hönigschmid für das Team Szekeres Ärztekammerwahl Wien 2022
Von Marina Hönigschmid
und Elke Wirtinger

Übergriffe auf Kolleg:innen haben im Zuge der Pandemie weiter zugenommen und sind zurecht auch in den medialen Fokus gerückt. Bei Gewalt an Ärzt:innen handelt es sich jedoch um kein neuartiges Phänomen. Das Team Szekeres setzt sich seit vielen Jahren mit konkreten Initiativen für ein sicheres Arbeitsumfeld ein. So wurde 2019 unserem Antrag auf Implementierung einer Ombudsstelle stattgegeben – wenige Monate bevor uns alle eine Messerattacke in einem Wiener Krankenhaus zutiefst erschütterte. Weitere Maßnahmen wurden auf den Weg gebracht und dringliche Forderungen eingemahnt.

In einer im Jänner erschienenen langen Liste an Empfehlungen des Innenministeriums wird in Spitälern tätigen Kolleg:innen unter anderem nahegelegt, den Arbeitsplatz nur noch in Gruppen zu verlassen. Dieses verstörende Bild veranschaulicht die prekäre Sicherheitslage, der sich Ärzt:innen zunehmend ausgesetzt sehen.

Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie konnte die Situation getrost als äußerst angespannt bezeichnet werden. Eine von Dr. Marina Hönigschmid und Dr. Elke Wirtinger, beide Mitglieder des Team Szekeres, im Jahr 2019 initiierte Studie förderte niederschmetternde Erkenntnisse zutage. Damals gaben 60,8 Prozent der befragten Ärzt:innen an, in den vergangenen sechs Monaten persönlich durch verbale Aggression oder körperliche Angriffe attackiert worden zu sein. Bei Frauen lag der Wert mit 63,4 Prozent sogar höher, tendenziell stärker betroffen sind junge Kolleg:innen (69,1 Prozent).

Die Hemmschwelle sinkt

Heruntergebrochen auf das Fach, manifestiert sich ein besonders hoher Anteil im Bereich der Kinderärzt:innen. Besonders beunruhigend sind Beschimpfungen direkt in den Ambulanzen und Ordinationen, darüber hinaus ist vor allem in den Krankenhäusern das Phänomen körperlicher Aggression zu beobachten. Zumeist geht die Gewalt dabei von den Patient:innen bzw. deren Angehörigen aus. Generell ist im Arbeitsalltag der Wiener Ärzt:innen ein Sinken der Hemmschwelle hinsichtlich Beleidigungen und Gewalt deutlich erkennbar.

Oftmals resultieren die Angriffe aus Unverständnis über lange Wartezeiten. Den hohen Erwartungen, rasch behandelt werden zu können, stehen ein immer größer werdender Arbeitsanfall sowie erhöhter Dokumentationsaufwand gegenüber – Phänomene, die durch begrenzten technischen Fortschritt und akuten Personalmangel befeuert werden.

Einführung einer Ombudsstelle erreicht

Im Frühjahr 2019 wurde auf Antrag von Dr. Marina Hönigschmid in der Ärztekammer eine Taskforce für Personalsicherheit gegründet. Zusammen mit Dr. Elke Wirtinger und einigen anderen Kolleg:innen wurde an konkreten Lösungen und Verbesserungen gearbeitet. Als bittere Pointe im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Initiative des Team Szekeres wurde nur wenig später die Messerattacke auf einen Kollegen in einem Wiener Spital bekannt.

Um konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf den Boden zu bringen, haben wir überdies in der jüngsten Kuriensitzung erfolgreich einen Antrag eingebracht, der es Kolleg:innen im Angestelltenbereich künftig ermöglichen soll, Befunde mit einer Dienstnummer anstelle des vollen Namens unterzeichnen zu können. Auf diese Weise wird eine Rückverfolgung durch Patient:innen deutlich erschwert.

Unser Anspruch auf Anonymität

In Fällen von aggressivem Verhalten von Patient:innen waren viele Ärzt:innen bislang genötigt, die Befundausstellung zu verweigern, was die betroffenen Kolleg:innen jedoch in rechtliche Schwierigkeiten bringen kann und zudem der weiteren Behandlung hinderlich ist. Mit diesem bereits mehrheitlich beschlossenen und noch umzusetzenden Antrag wird es betroffenen angestellten Ärzt:innen (im niedergelassenen Bereich ist eine solche Regelung aufgrund der faktischen Gegebenheiten – Patient:innen kennen hier ihre Hausärzt:innen – nicht praktikabel) künftig möglich sein, situationsbedingt entweder mit dem Namen oder der Dienstnummer zu unterfertigen. Polizist:innen sowie Sanitäter:innen unterzeichnen längst mit einer Dienstnummer – eine Vorgangsweise, die im Lichte der zunehmenden Gewaltanwendung auch für die Ärzt:innenschaft möglich sein muss.

Darüber hinaus kämpfen wir weiter für Anonymität auch bei Impfungen außerhalb der eigenen Ordination. Weiters sprechen wir uns für die Installierung von Direktleitungen zwischen Ordinationen und den jeweils zuständigen Polizeidienststellen aus. Auf diese Weise kann ein schnelleres Einschreiten durch die Exekutive erreicht werden.

Das Team Szekeres wird weiter unnachgiebig und mit voller Kraft für die Sicherheit der Ärzt:innen eintreten.

Clemens Mädel im Team Szekeres für Ärztekammerwahl in Wien 2022
von Clemens Mädel

Viele im Spital arbeitende Kolleginnen und Kollegen sind mit der aktuellen Situation unzufrieden und hegen den Wunsch, sich weiterzuentwickeln. Der Weg, eine Kassenordination zu eröffnen, gleichzeitig aber die Anstellung im Spital zur Gänze aufzugeben, stellt jedoch für viele nicht die gewünschte Alternative dar. An dieser Stelle existieren, sofern eine Nebenbeschäftigung erlaubt ist, bekanntlich viele andere Möglichkeiten. Schließlich kann eine eigene Wahlarztordination betrieben werden, eine Einmietung in einem privaten Ärztezentrum erfolgen, darüber hinaus können andere ärztliche Leistungen wie beispielsweise Impfdienste angeboten werden.

Was ist darüber hinaus aus steuerlicher Sicht zu beachten? Wo muss was gemeldet werden? Welche Voraussetzungen werden benötigt? Welche finanziellen Möglichkeiten bieten die diversen Angebote, bzw. welche Kosten entstehen? Die hier angeführten Fragen halten nicht wenige Kolleginnen und Kollegen davon ab, diesen Schritt zu gehen.

An dieser Stelle ist es an der Ärztekammer, detaillierte Informationen bereitzustellen. Nach den Vorstellungen des Team Szekeres soll dazu vor allem eine Möglichkeit zum Austausch mit Personen, die den Weg in die Niederlassung bereits erfolgreich absolviert haben, geschaffen werden.
Dies kann beispielsweise durch die Abhaltung von Sprechstunden bewerkstelligt werden. Im Rahmen eines solche Forums können den Interessentinnen und Interessenten wichtige Erfahrungen mit auf den Weg gegeben werden. Korrespondierend dazu sprechen wir uns auch für die Schaffung einer (selbstverständlich werbefreien) Möglichkeit zur Fortbildung hinsichtlich steuerlicher Aspekte aus. Die Kurie der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bietet hier bereits ein gedrucktes Informationswerk an, jedoch sind an dieser Stelle persönliche Erfahrungen effektiver, wenn es darum geht, Ängste und Sorgen zu zerstreuen. Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen könnten auf diese Weise motiviert werden, diesen Schritt zu wagen.

von Helmut Steinbrecher

Mit der seit 2019 geltenden Notärztinnen/Notärzte-Verordnung hat die Ausbildung zur Notärztin bzw. zum Notarzt eine bemerkenswerte Aufwertung erfahren. Konnte die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderliche Qualifikation bislang quasi nebenher, etwa durch den Besuch eines Wochenendkurses, erworben werden, so ist nun ein Nachweis in Form eines umfangreichen Rasterzeugnisses zu erbringen.

Die damit einhergehende Anhebung der Voraussetzungen zum Erwerb der notärztlichen Ausbildung ist angesichts der herausfordernden Situationen, mit denen sich Kolleginnen und Kollegen in der Praxis alleine und mit beschränkten Mitteln konfrontiert sehen, grundsätzlich zu begrüßen. Ein wesentliches Problem stellt jedoch die fehlende Struktur zum Erwerb der doch recht ambitionierten Voraussetzungen dar. In vielen Fällen erscheint es schlicht unmöglich, die erforderlichen Nachweise zu erbringen.

Unter anderem sind zum Erwerb der erforderlichen Qualifikation über 20 notärztliche Einsätze nachzuweisen. Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang, wie diese Bedingung in der Praxis erfüllt werden soll. So wird der Gesundheitsverbund ein überschaubares Interesse daran haben, Auszubildende, die anschließend nicht im Spital arbeiten werden, zu dieser beachtlichen Anzahl an erforderlichen Fahrten mitzunehmen.

Grundidee der notärztlichen Ausbildung ist es unter anderem, auch nicht fertig ausgebildete Kolleginnen und Kollegen notärztliche Dienste versehen zu lassen, sofern eine Ausbildungszeit von drei Jahren absolviert wurde und gewisse Grundfertigkeiten erlernt wurden. Hier ist jedoch einerseits in vielen Fällen unklar, was konkret anrechenbar ist bzw. wer die erforderlichen Nachweise im Rasterzeugnis beglaubigen darf, andererseits sind auch an dieser Stelle einige inhaltliche Voraussetzungen problematisch. So ist es unter anderem erforderlich, an fünf Spontangeburten mit postpartaler Versorgung des Neugeborenen teilzunehmen, obwohl viele Spitäler über keine Geburtshilfeabteilung verfügen.

Als äußerst ambitioniert ist auch die Voraussetzung zu bewerten, eine Atemwegssicherung mittels Intubation oder Larynxmaske außerhalb von Kursen an 70 erwachsenen Personen (davon maximal 50 Prozent im Simulationsweg) durchzuführen. Auch hier stellt sich die Frage, wie die immens hohe Zahl von 35 „echten“ Intubationen von Ausbildungswerberinnen und Ausbildungswerbern, abgesehen von künftigen Anästhesistinnen und Anästhesisten, strukturell erbracht werden soll. Gleiches gilt unter anderem für die vorgeschriebene Betreuung von zehn Intensivpatientinnen bzw. Intensivpatienten mit invasiver Beatmung.

Besonders problematisch erscheinen die beschriebenen Hürden vor dem Hintergrund des vorherrschenden Mangels an Notärztinnen und Notärzten. Es steht zu befürchten, dass eine derartige Verschärfung bzw. Verunmöglichung der Ausbildung die Zahl an verfügbaren Kolleginnen und Kollegen weiter reduzieren wird. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang etwa, dass abgesehen von NEF-Diensten auch für Veranstaltungen wie Konzerte, Theater oder Sportevents Notärztinnen bzw. Notärzte abgestellt werden müssen. Auch die Arbeit im Ärztefunkdienst setzt ein Notarztdiplom voraus. Die gegenständliche Verordnung trat im Sommer 2019 in Kraft, bis 2021 galten Übergangsbestimmungen. Als unmittelbare Auswirkung der Pandemie wurden seitdem viele Großveranstaltungen nicht abgehalten. Eine weitere Intensivierung des Mangels an Notärztinnen und Notärzten würde nach einer Normalisierung des öffentlichen Lebens für eine bedrohliche Zuspitzung sorgen.

Das Team Szekeres bekennt sich zu einer qualitativ hochwertigen Ausbildung für Notärztinnen und Notärzte, mahnt aber gleichzeitig energisch eine realistische Möglichkeit zum Erwerb der dafür nötigen Qualifikation ein.
Konkret sprechen wir uns für eine vollständige Überarbeitung der Notärztinnen/Notärzte-Verordnung aus. Einen gangbaren Lösungsweg sehen wir etwa in einer Unterscheidung zwischen einer Absolvierung des notärztlichen Diploms innerhalb der regulären Ausbildung und einer Absolvierung bei aufrechter ärztlicher Berufsberechtigung. Alternativ sehen wir auch eine Abstufung analog zu den durchzuführenden Tätigkeiten als zielführend an.

Ein Bekenntnis zur Wertschätzung und Fingerzeig für die Zukunft

Nach erfolgter Freigabe der einschlägigen Impfstoffe wurde in der Stadt Wien rasch das System der Covid-Impfstraßen etabliert. Außer Streit steht hierzulande, dass die medizinische Leitung einer Impfstraße durch Ärztinnen und Ärzte erfolgt. Als solche verfügen wir über die beste Ausbildung und stellen ein kompetentes Gegenüber beim Impfgespräch dar. Auch können wir beim Auftreten von Komplikationen unmittelbar nach der Impfung entsprechend Hilfe leisten. Hinzu kommt das hohe Vertrauen, das unser Berufsstand in der Bevölkerung genießt. Mit diesem kann unter anderem Skepsis im Zusammenhang mit der Impfung entgegengewirkt werden. Nicht auszudenken, wie viele Menschen zusätzlich auf eine rasche Impfung verzichtet hätten, wenn politisch auch noch entschieden worden wäre, auch ohne Ärztinnen und Ärzte zu impfen.

Es steht auch völlig außer Frage, dass der damit einhergehende Service für unser Gesundheitssystem wirtschaftlich argumentierbar und leistbar ist. Die Ärzteschaft wollte diese Aufgabe übernehmen, und die Verantwortlichen in Wien wollten die Impfstraßen zum Laufen bringen.
Konkret stand also die Wiener Ärztekammer in diesem Zusammenhang vor der Herausforderung der Verhandlung der Impfhonorare. Dabei wurde eine Einigung mit dem Gesundheitsministerium erzielt, die einen Betrag in Höhe von € 150,– pro Stunde vorschreibt.

Es handelt sich dabei bekanntermaßen um einen Stundensatz, der über jenem liegt, den Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern und in vielen Ordinationen beziehen. Wir verschließen unsere Augen auch nicht vor dem Umstand, dass diese Begebenheit mitunter dazu geführt hat, dass Kolleginnen und Kollegen die finanziell attraktivere Tätigkeit in den Impfstraßen beispielsweise Vertretungstätigkeiten für niedergelassene Kolleginnen und Kollegen vorgezogen haben. Dass es vor diesem Hintergrund zu Engpässen gekommen ist, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen.

Dennoch sind wir der festen Überzeugung, richtig gehandelt zu haben. Es wäre im Hinblick auf die immense Bedeutung ärztlicher Arbeit sowie unsere langjährigen Bemühungen zu einer diesbezüglichen Bewusstseinsbildung in höchstem Maße unverantwortlich gewesen, sich nicht für das bestmögliche Verhandlungsergebnis zugunsten der Wiener Ärztinnen und Ärzte einzusetzen.

Die damit offenbar gewordene Problematik bestärkt uns vielmehr in der Ansicht, dass der reguläre Verdienst der Ärztinnen und Ärzte deutlich zu niedrig angesetzt ist, das System mit den vorhandenen Sätzen nicht aufrecht zu erhalten ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass ärztliche Arbeit mehr wert sein muss. Vor diesem Hintergrund verstehen wir die erfolgte Einigung vielmehr als Auftrag und Fingerzeig für die Zukunft. Es wäre ein völlig falscher Ansatz, personellen Engpässen, die beispielsweise aufgrund finanziell unattraktiverer Vertretung in Ordinationen von Hausärztinnen und Hausärzten bzw. Kinderärztinnen und Kinderärzten zutage getreten sind, mit niedrigeren Honoraren in neuen Verhandlungsrunden zu begegnen. Vielmehr gilt es, das Pferd von der richtigen Seite aufzuzäumen und entschieden für eine angemessene Wertschätzung ärztlicher Arbeit in sämtlichen Bereichen einzutreten. Mit unserem Verhandlungserfolg haben wir als Team Szekeres unter Beweis gestellt, dass wir in der Lage sind, bessere Ergebnisse für unsere Ärztinnen und Ärzte zu erzielen.